Dienstag, 5. Mai 2015

Eine elektrisierende Nacht (Gastbeitrag von Stefan)

Ich lese gerade im JuZet-Blog, dass nun langsam der Abschied naht. Bevor nun endgültig Schicht im Schacht ist, noch ein Beitrag von mir:

Eine elektrisierende Nacht 
Die Revival-Party des Offenen Jugendzentrums Bayreuth im Rückblick

Ich gebe zu, ich bin eitel. Jeder Mensch ist das (wer behauptet, er sei es nicht, lügt mit ziemlicher Sicherheit) und jeder Mensch gefällt sich selbst auf Fotos nicht  -  zumindest nicht auf denen, die er nicht selbst ausgewählt und mit Photoshop bearbeitet hat.

Wie auch immer, jedenfalls fiel mir beim Durchblättern des ´Nordbayerischen Kurier´  vom 4. Mai 2015 ein Foto ins Auge, auf welchem ich reichlich bescheuert aussehe, was wiederum den Effekt hatte, dass meine zu diesem Zeitpunkt gute Laune umgehend einen deutlichen Dämpfer bekam.

Der nächste und wesentlichere Stimmungstöter war dann das Lesen der Überschrift des Zeitungsartikels, zu dem dieses Foto (neben anderen) gehörte: „Kiffer, Kommunisten und ihr zweites Wohnzimmer“ hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Headline meines Blog-Beitrags vom 28. April 2015: „Kiffer & Kommunisten (Gedanken beim Laufen)“. Womit wir bei einer weiteren Eitelkeit wären, nämlich der des Autors: Zitiert werden ist schön und schmeichelt dem Ego, dreistes Klauen hingegen nervt. Vor allem dann, wenn es, wie in diesem Fall, sinnverkürzend bzw. -entstellend ist.

Mir ist schon klar, dass ein mit Copy & Paste auf die Schnelle zusammengeschusterter Zeitungsartikel eines Lokal-Käseblatts nicht den Anforderungen und (Zitier-) Regeln einer Doktorarbeit genügen muss (Herr von und zu Guttenberg wäre somit ein guter ´Kurier´- Autor). Ich weiß auch, dass der ´Nordbayerische Kurier´ nicht die ´New York Times´ ist, dass der Themenkreis Autounfall, Feuerwehrball und Streuobstwiese nicht gerade Intellektualität und Bildung zum zentralen Einstellungskriterium für Redakteure macht.

Aber ist es wirklich nötig, der Ignoranz völlig freien Lauf zu lassen?

Mein „Kiffer & Kommunisten“-Text heißt so, um dieses Klischee von damals ironisch als das zu entlarven, was es war und ist: ein Klischee, eine verkürzte, verzerrte, letztlich falsche Darstellung. Gerade das JuZet-Blog (heißt es eigentlich der oder das Blog?) mit seinen vielen Beiträgen vieler Autoren zeigt, was das Offene Jugendzentrum Bayreuth wirklich war: ein offener, nichtkommerzieller Ort der Vielfalt, Kreativität, Phantasie. Aber auch der Intellektualität und Diskussionskultur. Der Basisdemokratie und Selbstverwaltung (und der Selbstdisziplin, man mag es kaum glauben). Der Entschleunigung (Teestube) und der Arbeit unter Terminvorgaben (Zeitungsmachen: „Wir“, „Tappert“). Der Popkultur mit ihren laufenden inneren und äußeren Veränderungen (das Konzertpublikumsfoto vom „Euroschäck“-Konzert 1982 im JuZet zeigt keine langhaarigen Kiffer, sondern ausschließlich kurzhaarige New Waver). Ein Ort der Freundschaft, Zuneigung, Liebe, eines neuen, freieren, unverkrampfteren Umgangs miteinander.

Und was lese ich im ´Nordbayerischen Kurier´ (der seinen Redakteuren bei Gelegenheit das Zählen beibringe sollte, es waren nicht „über 100“, sondern an die 200 Leute in der Schoko-Fabrik versammelt): Ein Haufen ehemaliger Kiffer und Kommunisten sei nach 41 Jahren „grau geworden“ (lernt man solche erstaunlichen Erkenntnisse in der Journalistenschule?), aber „dünnhäutig geblieben“ (ist die Artikel-Autorin Dermatologin?) „und sensibel“ (oder Psychologin?), aber letztendlich in der Mehrheitsgesellschaft angekommen (ach was!).

Das nenne ich pulitzerpreisverdächtigen Enthüllungsjournalismus!

Der einem glatt den Rückblick auf einen wundervollen Abend verhageln könnte.Schafft er aber nicht.

Die JuZet-Revival-Party in der Bayreuther Schoko-Fabrik am 2. Mai 2015 war wirklich prima, eben kein schluffiger Veteranen-Treff von vergreisten Ex-Kiffern, sondern ein spannendes, kurzweiliges (aber herrlich lang dauerndes), erkenntnisreiches, stimmungsvolles, inspirierendes Zusammensein quirliger, höchst lebendiger und interessanter Menschen.

Selbst die unendliche Tombola hatte in ihrer Zähheit und dem unbedingten Willen einiger, sie zu ignorieren und nichts gewinnen zu wollen, einen schrägen Unterhaltungswert. Und der „Euroschäck“-Auftritt im Original-Set von einst war sowieso der Knaller (Danke Brandy, Ed und Schlonz!).

Die DJs Nick und Freek hätten ein wenig über den Spezialistentum-und Connaisseur-Schatten springen sollen und ein paar Stücke aus den 1970er, die jede/r kennt, auflegen sollen, um alle Anwesenden „einzufangen“, d.h. auf die Tanzfläche zu bekommen. Aber geschenkt.

Es war ein „Abi-Treffen hoch zehn“ (wie ein Teilnehmer sagte), und zwar im positiven Sinne, sprich: ohne den üblichen „Mein Haus, mein Auto, meine Karriere“-Schwanzvergleichsstress von Klassentreffen. Einige JuZetler haben zwar erstaunliche Karrieren gemacht, wurden z. B. Unternehmer, Professoren (haben sich somit an die Spitze der „Mehrheitsgesellschaft“ und  - das kann ich mir jetzt nicht verkneifen -  weit über den Sozialstatus von ´Nordbayerischer Kurier´-Redakteuren gesetzt), gleichwohl hatte ich bei den zahlreichen „Und was machst Du jetzt?“-Gesprächen nicht das Gefühl, dass ich etwa mit meinem unspektakulären Beruf (ich arbeite im klinischen, unfallchirurgischen Bereich als Krankenpfleger) und meiner Nicht-Karriere (trotz gutem GCE-Abi kein Akademiker oder sonst was) herablassend angeguckt werde.

Ganz im Gegenteil. Gerade die gebrochenen, kurvenreichen Berg-und-Tal-Lebensläufe sind die spannendsten. Und nicht die schlechtesten.

Dieses von großer Toleranz geprägte Sich-gegenseitig-Ernstnehmen (egal, was man macht bzw. nicht macht), dieses Sein-Ding-Machen (oder es eben auch sein lassen) ist JuZet-Style at its best.  Und verdammt cool.

Natürlich muss man bei so einer Veranstaltung einige Oh-Gott-ist-der/die-alt-geworden-Schockmomente und Wiedererkennungsschwierigkeiten hinnehmen. Ist halt so, 30-40 Jahre Leben seit damals sind nun einmal ein Haufen Holz. So what.

Gestern hat mich Michael angerufen und mir erzählt, dass er, zwei Tage nach der Revival-Party, immer noch ständig daran denken muss (und die Hoffnung hat, dass, in gebührendem Abstand, mal wieder so etwas veranstaltet wird). Mir geht es genauso, auch in meinem Kopf ist diese elektrisierende Nacht immer noch am Stromerzeugen.

Danke an Christian, Werner und all die anderen! Stay cool!


>>> siehe auch Teil 2 zu diesem Beitrag

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